Bandscheibenvorfall (Diskushernie) an der Halswirbelsäule
Eine Bandscheibe liegt zwischen zwei Wirbelkörpern und besteht aus einem gallertartigen Kern (Nucleus pulposus), der von mehreren Schichten eines elastischen Faserknorpels (Anulus fibrosus) umgeben ist.
Ab dem 20. Lebensjahr kommt es zur Abnutzung der Bandscheiben. Schwere körperliche Belastung, Fehlhaltung, Rauchen, und genetische Faktoren beeinflussen diesen Abnutzungsprozess. Der Kern verliert Flüssigkeit und der Faserknorpel bekommt Risse. Bei Belastung können so Teile des Kerns durch den Faserknorpel austreten.
Diese Teile können in der Folge auf die dahinter liegenden Nervenwurzeln oder das Rückenmark drücken und Symptome verursachen. Ab dem 40. Lebensjahr nimmt die Erkrankungshäufigkeit des Bandscheibenvorfalls zu.
Bandscheibenvorfall (Diskushernie) an der Halswirbelsäule
Symptome und Diagnostik
Ein Bandscheibenvorfall der Halswirbelsäule kann sowohl auf die direkt dahinter liegende Nervenwurzel als auch auf das Rückenmark drücken. In der Folge kann es zu Symptomen in einem spezifischen Wirkungsgebiet der jeweiligen Nervenwurzel im Arm und in der Hand kommen.
Zu diesen Symptomen gehören Schmerzen, Gefühlsstörungen (Kribbeln, Taubheitsgefühl, Brennen) und Kraftverlust. Der Kraftverlust des Muskels kann z.B. zu Beschwerden beim Heben des Arms oder zu einer Beeinträchtigung der Handfunktion führen. In seltenen Fällen kann es zu einer Kompression des Rückenmarks kommen, welches eine Gangstörung, eine Feinbewegungsstörung oder eine Harn-Blasenfunktionsstörung verursachen kann. Zudem kann der Patient Nackenschmerzen verspüren, die schlimmer werden, wenn er den Kopf bewegt.
Bei seit längerer Zeit bestehenden Symptomen aufgrund einer Kompression/Abklemmung der Nerven kann dieser trotz konservativer oder operativer Behandlung für immer geschädigt bleiben und die Beschwerden gehen nicht mehr ohne bleibende Schäden zurück.
Konservative Behandlung
Wenn keine grösseren neurologischen Einschränkungen auftreten, kann eine rein konservative Therapie angestrebt werden, da zu erwarten ist, dass der mässig grosse Bandscheibenvorfall über einige Wochen hinweg resorbiert wird.
Diese nichtoperative Therapie beinhaltet eine medikamentöse Schmerztherapie, Vermeiden von Belastungen und ggf. einer Injektion von Cortison an die Nervenwurzel in der akuten Phase. In bis zu 90% der Patienten mit akuten Schmerzen in Arm und Hand aufgrund eines frischen Bandscheibenvorfalls kann eine solche konservative Therapie zu einer Verbesserung der Beschwerden innerhalb der ersten 6-8 Wochen führen.
Operative Therapie
Eine Operation sollte bei starken Schmerzen, welche sich trotz konservativer medikamentöser und physiotherapeutischer Therapie nicht beherrschen lassen, bei Lähmungen, bei Störungen der Blasen-Mastdarmfunktion durchgeführt werden.
Eine Operation kann bei mässigen Schmerzen relativ und akut messbaren Schädigungen der Nerven durchgeführt werden. Das Ziel einer Operation ist es die Schmerzen zu reduzieren, eine mögliche weitere Schädigung des Nervens zu verhindern, sowie eine bereits aufgetretene Schädigung zu verbessern.
Operationen an der Halswirbelsäule werden seit 70 Jahren durchgeführt und gehören zum täglichen Standard in der Wirbelsäulenchchirurgie. Diese Operationen können mit operativem Zugang am Hals von vorne oder von hinten erfolgen.
Degenerative Halswirbelsäule (HWS)
Mikrochirurgische Operation von vorne
Die Operation wird mit einem Mikroskop in Rückenlage über einen Hautschnitt, der entlang einer Hautfurche verläuft, durchgeführt. Nachdem die Bandscheibe entnommen ist, wird der Bandscheibenvorfall, der die Nervenwurzel dekomprimiert, dargestellt und entfernt. Das erste Ziel der Operation, die Nervenwurzel zu entlasten, ist nun erreicht.
Das zweite Ziel, das erkrankte Segment zu stabilisieren, wird erreicht indem ein Platzhalter (Cage) in den Zwischenwirbelraum eingebracht wird, der mit einer Platte zusätzlich gesichert werden kann. Die Gesamtbeweglichkeit der Halswirbelsäule wird durch diese Operation kaum reduziert. Die Operation dauert in der Regel rund 1 Stunde. In selektiven Fällen kann anstelle eines Cages und Platte eine Bandscheibenprothese eingebracht werden.
Mikrochirurgische Operation von vorne (HWS)
Endoskopische Operation von hinten
Bei einem lateral gelegenen Bandscheibenvorfall kann die Operation von hinten in Bauchlage durchgeführt werden. Dabei wird zunächst ein ca. 1.3 cm langer Hautschnitt durchgeführt.
Die Muskulatur wird gewebeschonend mit Hilfe eines Dilatatorensystems aufgedehnt, bis schliesslich ein 15 mm durchmessender Arbeitsschaft mit Endoskop über der knöchernen Begrenzung der Wirbelsäule platziert werden kann.
Unter endoskopischer Sicht wird nun ein kleines ca. 6-8 mm durchmessendes Loch in die knöchernen Strukturen der Wirbelsäule gefräst. Der Bandscheibenvorfall wird dargestellt und vorsichtig entfernt.
Mikroendoskopische zervikale Foraminotomie - Bandscheibenvorfall Halswirbelsäule (HWS)
Erfolgschancen und Nachbehandlung
Die Schmerzen und Missempfindungen in den Armen und Händen anhaltend zu lindern gelingt in ca. 90% der Fälle. Schwere neurologische Komplikationen sind sehr selten (<1%). Eine vorübergehende Heiserkeit kann bei Zugang von vorne in 5 % der Fälle durch eine Irritation der Stimmbandnerven auftreten. In den ersten zwei Wochen nach der Operation kann es zu schwellungsbedingten Beschwerden beim Schlucken fester Nahrung kommen, welche im Verlauf wieder rückläufig sind. Nach einer Operation folgt in der Regel ein 3-5 tägiger stationärer Aufenthalt, bevor der Patient nach Hause gehen kann.
Bereits während des Spitalaufenthalts führt ein Physiotherapeut die Patienten in ein Übungsprogramm ein, welches aus isometrischen (die Muskeln gleichmässig anspannenden) Anspannungsübungen besteht. Ziel ist es, dass die segmentalen, stabilisierenden Muskeln der Halswirbelsäule aktiviert werden.
Nach dem Austritt sollen diese Übungen vom Patienten ein- bis zweimal täglich eigenständig durchgeführt werden. Parallel dazu bleibt bis zur ersten Nachkontrolle eine ambulante physiotherapeutische Therapie erstrebenswert.