Bandscheibenvorfall an der Lendenwirbelsäule
Ein Bandscheibenvorfall an der Lendenwirbelsäule (lumbaler Bandscheibenvorfall) ist ein häufig auftretendes Erkrankungsbild, das meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr auftritt, aber auch noch im hohen Alter auftreten kann.
Im Laufe des Lebens werden 2-3% der Bevölkerung einen Bandscheibenvorfall erleiden, welcher zu Beschwerden führen kann. Zu den Risikofaktoren, die einen Bandscheibenvorfall begünstigen, gehören Rauchen, starke Belastung und genetische Faktoren. Da das gesamte Gewicht auf der Wirbelsäule lastet, sind vor allem die untersten beiden Bandscheiben von Bandscheibenvorfällen betroffen.
Im Rahmen des natürlichen Alterungsprozesses wird der äussere Faserring (Annulus fibrosus), welcher den Kern (Nucleus pulposus) der Bandscheibe umgibt, zunehmend spröde und unelastisch.
Es können sich Risse im Faserring bilden und bei starker Belastung können sich Anteile aus dem Inneren des Kerns nach aussen durchdrücken. Diese Anteile werden als Sequester oder als Bandscheibenvorvorfall bezeichnet und können, wenn sie in den Wirbelkanal vordringen, auf Nervenwurzeln drücken.
Tritt das Bandscheibengewebe auf Höhe des Bandscheibenfachs aus, so wird die transversierende Nervenwurzel gereizt. Tritt das Bandscheibengewebe lateral oder im Neuroforamen aus, so wird die austretende Nervenwurzel gereizt.
Bandscheibenvorfall an der Lendenwirbelsäule
Symptome und Diagnostik
Es kann zu unspezifischen Beschwerden wie einem Druckgefühl in der Lendenmuskulatur, Bewegungseinschränkungen, und Schmerzen im Sitzen kommen.
Bei einer Kompression einer spinalen Nervenwurzel kann es zu Beschwerden oder Ausfallerscheinungen im dem entsprechenden Versorgungsgebiet kommen. Zu diesen Beschwerden zählen stechende und reissend ausstrahlende Schmerzen (Lumboischialgien), welche vom Rücken über das Gesäss bis in das Bein und den Fuss abstrahlen können.
Bei Belastung, beim Husten oder Niesen kommt es zu einer Verstärkung dieser Beschwerden. Die Betroffenen schonen das schmerzende Bein und es kommt in der Folge zu einer Fehlhaltung der Wirbelsäule und Hinken. Selten treten Schmerzen in beiden Beinen auf.
Zusätzlich kann es zu Missempfindungen (Taubheitsgefühl, Kribbeln) im Bein oder Fuss oder zu Lähmungen kommen. In seltenen Fällen kann das ausgetretene Bandscheibengewebe so gross sein, dass es sämtliche Nervenwurzeln komprimiert und es zu einer gefährlichen Störung der Blasen-, Mastdarm-, und Sexualfunktion (Cauda-equina Syndrom) kommt.
Konservative Behandlung
In den meisten Fällen lässt sich ein frisch aufgetretener Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule mit nichtoperativen Massnahmen erfolgreich behandeln.
Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Physiotherapeuten, Neurologen, Radiologen, Rheumatologen und Schmerztherapeuten können die Symptome im Verlauf bis auf ein mildes Mass gelindert werden und es ist zu erwarten, dass sich der Bandscheibenvorfall über einige Wochen hinweg resorbiert und damit eine Operation nicht mehr nötig ist.
Sind die Schmerzen jedoch unerträglich und lassen diese sich trotz aller konservativer Therapiemassnahmen nicht auf ein erträgliches Mass reduzieren, so kann eine Operation indiziert sein. Bei einer elektrophysiologisch messbaren Schädigung des Nervens, bei einer Zunahme von Missempfindung und beim Auftreten einer höhergradigen Muskelschwäche sollte eine Operation in Betracht gezogen werden.
Sollte es zu einer gestörten Blasen-, Mastdarm-, und Sexualfunktionsstörung kommen, so ist eine Operation dringend durchzuführen, da sonst eine dauerhafte Nervenschädigung mit entsprechendem Ausfall der Funktionen, insbesondere Harnverhalt, droht.
Operative Therapie
Das Ziel der Operation ist es, das Bandscheibengewebe zu entfernen, damit die komprimierte Nervenwurzel sich wieder frei entfalten kann und es so zu einem Rückgang der Beschwerden kommt.
Bandscheibenoperationen an der Lendenwirbelsäule werden unter Einsatz des Mikroskops seit den 1970er Jahre standardisiert durchgeführt. Minimalinvasive und endoskopische Techniken sind den letzten 30 Jahren entwickelt worden, um noch gewebeschonender operieren zu können.
Beim Einsatz einer endoskopischen Technik wird je nach Lokalisation des Bandscheibenvorfalls entschieden, ob eine ca. 1.5 cm langer Hautschnitt am Rücken oder ein 5 mm langer Hautschnitt in der Flanke erfolgt. Bei beiden Techniken wird die Muskulatur mittels eines Dilatationssystems aufgedehnt und bleibt in ihrer Struktur erhalten.
Stenose Lendenwirbelsäule (LWS)
Mikroendoskopische Bandscheibenoperation
Durch diese Operation können nahezu alle Bandscheibenvorfälle entfernt werden, die im Spinalkanal liegen. Die Operation wird in Bauchlage durchgeführt. Das erkrankte Segment wir mit einem Röntgenbildwandler aufgesucht.
Im Anschluss wird ein ca 1.5cm langer Hautschnitt am Rücken angelegt, durch den die Rückenmuskulatur mit einem Dilatationssystem vorsichtig und schonend aufgedehnt wird. Anschliessend wird ein Arbeitsschaft mit einem Endoskop direkt an die Wirbelsäule vorgeschoben. Unter endoskopischer Sicht wird mit diversen Mikroinstrumenten ein kleines ca. 7-9 mm durchmessendes Loch im Wirbelbogen angelegt.
Die Nervenwurzel und der Bandscheibenvorfall werden vorsichtig voneinander separiert und schliesslich wird der Bandscheibenvorfall mobilisiert und entfernt. Abschliessend wird die Nervenwurzel inspiziert um sicherzustellen, dass kein Bandscheibengewebe mehr auf die Nervenwurzel drückt.
Kleine venöse Blutungen werden gestoppt, bevor der Arbeitsschaft zurückgezogen wird und sich die Muskulatur wieder verschliessen kann. Die Wunde wird mit einem Hautkleber verschlossen, sodass ein Fadenzug nicht notwendig ist. Die Operation dauert in der Regel rund 1 Stunde.
Operation Bandscheibenvorfalll Lendenwirbelsäule (LWS)
Perkutane transforaminale endoskopische Diskektomie
Diese operative Technik eignet sich vor allem für Bandscheibenvorfälle, die nicht im Spinalkanal (intraforaminal und extraforaminal) liegen. Die Operation wird in Bauchlage durchgeführt und die ca. 5mm messende Stichinzision erfolgt in Abhängigkeit von den anatomischen Gegebenheiten ca. 10-12 cm von der Mittellinie.
Die Bandscheibe wird zunächst mit einer Nadel identifiziert und mit einem blauen Farbstoff markiert, bevor das Weichteilgewebe mit einem 5mm durchmessenden Dilatator aufgedehnt wird. Der Zugang erfolgt dabei seitlich von der Rückenmuskulatur, sodass diese komplett geschont wird. Anschliessend wird eine Hülse vorgeschoben, die direkt im Neuroforamen der austretenden Nervenwurzel zum Liegen kommt.
Ein Endoskop mit integriertem Arbeitsschaft und kontinuierlicher Spülung wird nun vorgeschoben. Schliesslich werden die nervalen Strukturen und der Bandscheibenvorfall identifiziert. Mit einer Fasszange und speziellen Häkchen wird der Bandscheibenvorfall dargestellt und reseziert.
Unter endoskopischer Sicht wird der Arbeitsschaft zurückgezogen und die Stichinzision mit einer Naht verschlossen. Die gesamte Operation dauert in der Regel 40 Minuten.
Seitlicher Zugang bei der Operation Bandscheibenvorfall Lendenwirbelsäule (LWS)
Erfolgschancen und Nachbehandlung
Die Schmerzen und Missempfindungen im Bein zu lindern gelingt in ca. 90% der Fälle. Schwere neurologische Komplikationen sind sehr selten (<1%). Eine vorübergehende Missempfindung im Bein kann in 5-10 % der Fälle durch eine Irritation des Nerven aufgrund der Spülung auftreten. Nach einer Operation folgt in der Regel ein 3-5 tägiger stationärer Aufenthalt, bevor der Patient nach Hause gehen kann.
Bereits während des Spitalaufenthalts führt ein Physiotherapeut die Patienten in ein Übungsprogramm ein, welches aus isometrischen (die Muskeln gleichmässig anspannenden) Spannungsübungen besteht. Ziel ist es, dass die segmentalen, stabilisierenden Muskeln der Lendenwirbelsäule aktiviert werden.
Nach dem Austritt sollen diese Übungen vom Patienten ein- bis zweimal täglich eigenständig durchgeführt werden. Parallel dazu bis zur ersten Nachkontrolle ist eine ambulante physiotherapeutische Therapie erstrebenswert.